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Freitag, 31. Mai 2013
Neulich im Radio...
psmerga, 23:33h
Vor ein paar Tagen saß ich mal wieder in meinem Auto, zappte zwischen den Radiosendern mit den immergleichen Songs, den gleichen Werbeslogans und den gleichen abgedroschenen Witzen hin und her, einfach auf der Suche. Ich kann nicht einmal sagen, was genau ich suchte. Aber ich wusste, dass ich wohl nicht fündig werden würde. Ich meine, warum müssen diese Sender immer wieder sagen, was sie spielen? Das hört man doch. Und warum sagen sie mir, warum ich den Sender anhabe? Außerdem: ihr liegt falsch, es war Zufall, nicht „Der Beste Musikmix“.
Ich startete den Sendersuchlauf, immer noch ohne große Hoffnung, ich wollte das Radio schon ausschalten und einfach den Motorgeräuschen und dem Wind um das Auto herum lauschen, einfach mal diese ständige mediale Dauerbeschallung abschalten. Doch dann wurde es doch noch spannend. Auf irgendeinem Sender lief ein Report über einen medizinischen Kongress. Erst hörte ich nicht richtig hin, aber ich hatte bemerkt, dass es um psychische Erkrankungen ging. Ich drehte etwas lauter. Es ging, so wie ich das verstand, um die Verabschiedung einer Art „Diagnostikbibel“, so eine Art Katalog, der festlegt, was wann eine Störung ist. Geht wohl vor allem darum, dass die Krankenkassen wissen, was sie abrechnen können. Immer geht es ums Geld…
Ich wurde neugierig und hörte mir tatsächlich den ganzen Report an, zu Hause las ich noch ein bisschen zu diesem Thema. Also ich habe von solchen Sachen ja wirklich keine Ahnung, aber ich muss zugeben, dass mich das Ganze ja schon ein bisschen verwirrt. Da setzen sich Wissenschaftler hin und diskutieren jahrelang, wie sie Krankheiten definieren. Was mir zu denken gegeben hat ist, dass die Grenze für Diagnosen wohl heruntergesetzt wurde. Es ist scheinbar schneller möglich, eine Depression zu bekommen. Zwei Wochen Trauer, und peng, die Glücklichmachpillen sind in Reichweite. Geht sowas wirklich so schnell? Denn ganz ehrlich: dann sollte ich mir vielleicht Sorgen machen. Auch irgendwie seltsam finde ich, dass Melancholie wohl nicht mehr eigenständig betrachtet wird, sondern gleich eine Depression ist. Ok, ich schreibe zwar auch Geschichten, aber wäre ich ein ernsthafter Autor, vielleicht noch von Gedichten, ein Songschreiber… Wie viele poetische Texte haben die Melancholie als Thema, und wie schön sind diese manchmal. Und jetzt? Das ganze potenziell romantische (womit ich nicht sagen will, dass es für den Betroffenen ein schönes Gefühl sein muss) an der Melancholie, weggewischt und durch Depression ersetzt. Bilder von Casper David Friedrich oder Albrecht Dürer sind nicht mehr „melancholisch“, sie sind „depressiv“, und eines der bekanntesten Gedichte von Gottfried Keller können wir gleich in „Depression“ umbenennen. Komische Vorstellung.
Ist Ihnen zu abstrakt, zu alt? Ich stelle mir vor, wie sich die Autoren von „The Big Bang Theory“ geärgert haben müssen. Warum? Der eigentliche Star der Serie wird immer mit dem Asperger-Syndrom in Verbindung gebracht, nicht zuletzt deshalb wird er als verquer, aber sympathisch vertrottelt wahrgenommen. Und was machen diese Wissenschaftler? Streichen das Asperger-Syndrom als eigenständige Diagnose. Au weia, das Konzept der Serie wackelt.
Aber Spaß beiseite, was mich bei solchen Leitfäden ja immer am meisten interessiert ist die Frage, wie sowas definiert wird. Man geht ja davon aus, dass jemand sich nicht verhält wie es erwartet wird, man weicht von einer Norm ab, also hat man eine Störung. Nur mit welchem Recht wird diese Norm festgelegt? Und warum muss sich jeder an diese Norm halten? Ausgenommen sind wohl nur Künstler. Das vielleicht beste Album der Beatles, „Sgt. Pepper“, ist doch deshalb so gut, weil es mit den Konventionen bricht. „Pulp Fiction“ ist Kult, weil der Film nicht normal ist. Was auf der einen Seite als Störung aufgefasst wird, ist auf der anderen eine kulturelle Bereicherung. Oder wo ist da mein Denkfehler?
Stellen sie sich einfach mal Folgendes vor. Sie waren gerade einkaufen und sind zu Fuß auf dem Heimweg. Ihnen laufen genau drei Personen über den Weg.
Der erste sieht ungepflegt, unrasiert und zerstreut aus. Er sieht nur auf den Boden und murmelt für sie völlig unverständliches Zeug, fasst sich immer wieder ins Gesicht, reibt sich die Augen.
Die zweite Person, eine junge Frau, hüpft fast durch die Gegend und summt laut vor sich hin, gelegentlich singt sie kurze Zeilen, und immerzu grinst sie übers ganze Gesicht.
Person Nummer drei ist ein älterer Herr, der langsam rückwärts geht, das Gesicht halb verkrampft, halb schmerzverzerrt.
Sie kommen zu Hause an, schütteln über die komischen Leute auf der Straße den Kopf, packen ihre Einkäufe aus und machen RTL an, Supertalent kommt.
Ok, der letzte Teil war böse, Verzeihung. Aber was würden sie über diese drei Personen denken? Verhalten sie sich nach der Norm, oder haben sie eine Störung? Möglichkeit eins ist jetzt, sich zu fragen, ob man selber so etwas machen würde. Sie denken kurz drüber nach, kommen zum Schluss „Nein“, also Störung. Aber Moment, anders gefragt: Warum machen diese Leute das? Ob das wichtig ist, nun ja, wie wärs damit:
Person eins ist Student, er lernt seit Wochen für eine wichtige Prüfung, von der seine Zukunft abhängt, er muss wahnsinnig viele Fremdsprachige Begriffe lernen, Latein, Altgriechisch. Er ist nur noch damit beschäftigt, alles Wissen in seinen Kopf zu prügeln und vergisst alles andere, selbst das Schlafen.
Person zwei ist vor kurzen aus dem Krankenhaus entlassen worden. Durch einen Sehnenriss konnte sie ewig nicht richtig laufen, aber jetzt kann sie Tanzen!
Person drei hat seit längerer Zeit Probleme mit den Muskeln, Magnesiummangel und ständig Krämpfe. Er war gerade unterwegs, als es wieder losging. Aber zu Hause hat er mal etwas herausgefunden: durch die andere Belastung beim Rückwärtslaufen kommt er wenigstens voran. Er will nur nach Hause und sich ausruhen, er weiß, dass es dämlich aussehen mag, aber nur so kommt er nach Hause und er ist zu eitel, um nach Hilfe zu fragen.
Und, was sagen Sie, bleiben sie bei Ihrer Meinung? Es ist natürlich alles nur theoretisch, aber ich glaube es ist leicht zu urteilen. Aber es ist auch genauso leicht, zu fragen. Erklärt vielleicht vieles. Auch eine scheinbare Abweichung von einer wie auch immer definierten Norm.
Ergänzung: In dem Report meinte ein „Experte“ (wieder so eine Definitionssache…), das Melancholie deshalb gestrichen wurde, weil man diesen Zustand wohl ziemlich gut mit Fakten belegen kann, während sich wohl alle anderen Diagnosen sich genauerer Klassifizierungen entziehen. Und das hätte wohl einfach doof ausgesehen: zig verschiedene Krankheiten, und eine ist nachweisbar. Ich habe davon wie gesagt keine Ahnung, kann da jemand was zu sagen? Würde mich ja mal interessieren…
Ergänzung 2: Burnout ist nicht annerkannt...??? Krass
Ich startete den Sendersuchlauf, immer noch ohne große Hoffnung, ich wollte das Radio schon ausschalten und einfach den Motorgeräuschen und dem Wind um das Auto herum lauschen, einfach mal diese ständige mediale Dauerbeschallung abschalten. Doch dann wurde es doch noch spannend. Auf irgendeinem Sender lief ein Report über einen medizinischen Kongress. Erst hörte ich nicht richtig hin, aber ich hatte bemerkt, dass es um psychische Erkrankungen ging. Ich drehte etwas lauter. Es ging, so wie ich das verstand, um die Verabschiedung einer Art „Diagnostikbibel“, so eine Art Katalog, der festlegt, was wann eine Störung ist. Geht wohl vor allem darum, dass die Krankenkassen wissen, was sie abrechnen können. Immer geht es ums Geld…
Ich wurde neugierig und hörte mir tatsächlich den ganzen Report an, zu Hause las ich noch ein bisschen zu diesem Thema. Also ich habe von solchen Sachen ja wirklich keine Ahnung, aber ich muss zugeben, dass mich das Ganze ja schon ein bisschen verwirrt. Da setzen sich Wissenschaftler hin und diskutieren jahrelang, wie sie Krankheiten definieren. Was mir zu denken gegeben hat ist, dass die Grenze für Diagnosen wohl heruntergesetzt wurde. Es ist scheinbar schneller möglich, eine Depression zu bekommen. Zwei Wochen Trauer, und peng, die Glücklichmachpillen sind in Reichweite. Geht sowas wirklich so schnell? Denn ganz ehrlich: dann sollte ich mir vielleicht Sorgen machen. Auch irgendwie seltsam finde ich, dass Melancholie wohl nicht mehr eigenständig betrachtet wird, sondern gleich eine Depression ist. Ok, ich schreibe zwar auch Geschichten, aber wäre ich ein ernsthafter Autor, vielleicht noch von Gedichten, ein Songschreiber… Wie viele poetische Texte haben die Melancholie als Thema, und wie schön sind diese manchmal. Und jetzt? Das ganze potenziell romantische (womit ich nicht sagen will, dass es für den Betroffenen ein schönes Gefühl sein muss) an der Melancholie, weggewischt und durch Depression ersetzt. Bilder von Casper David Friedrich oder Albrecht Dürer sind nicht mehr „melancholisch“, sie sind „depressiv“, und eines der bekanntesten Gedichte von Gottfried Keller können wir gleich in „Depression“ umbenennen. Komische Vorstellung.
Ist Ihnen zu abstrakt, zu alt? Ich stelle mir vor, wie sich die Autoren von „The Big Bang Theory“ geärgert haben müssen. Warum? Der eigentliche Star der Serie wird immer mit dem Asperger-Syndrom in Verbindung gebracht, nicht zuletzt deshalb wird er als verquer, aber sympathisch vertrottelt wahrgenommen. Und was machen diese Wissenschaftler? Streichen das Asperger-Syndrom als eigenständige Diagnose. Au weia, das Konzept der Serie wackelt.
Aber Spaß beiseite, was mich bei solchen Leitfäden ja immer am meisten interessiert ist die Frage, wie sowas definiert wird. Man geht ja davon aus, dass jemand sich nicht verhält wie es erwartet wird, man weicht von einer Norm ab, also hat man eine Störung. Nur mit welchem Recht wird diese Norm festgelegt? Und warum muss sich jeder an diese Norm halten? Ausgenommen sind wohl nur Künstler. Das vielleicht beste Album der Beatles, „Sgt. Pepper“, ist doch deshalb so gut, weil es mit den Konventionen bricht. „Pulp Fiction“ ist Kult, weil der Film nicht normal ist. Was auf der einen Seite als Störung aufgefasst wird, ist auf der anderen eine kulturelle Bereicherung. Oder wo ist da mein Denkfehler?
Stellen sie sich einfach mal Folgendes vor. Sie waren gerade einkaufen und sind zu Fuß auf dem Heimweg. Ihnen laufen genau drei Personen über den Weg.
Der erste sieht ungepflegt, unrasiert und zerstreut aus. Er sieht nur auf den Boden und murmelt für sie völlig unverständliches Zeug, fasst sich immer wieder ins Gesicht, reibt sich die Augen.
Die zweite Person, eine junge Frau, hüpft fast durch die Gegend und summt laut vor sich hin, gelegentlich singt sie kurze Zeilen, und immerzu grinst sie übers ganze Gesicht.
Person Nummer drei ist ein älterer Herr, der langsam rückwärts geht, das Gesicht halb verkrampft, halb schmerzverzerrt.
Sie kommen zu Hause an, schütteln über die komischen Leute auf der Straße den Kopf, packen ihre Einkäufe aus und machen RTL an, Supertalent kommt.
Ok, der letzte Teil war böse, Verzeihung. Aber was würden sie über diese drei Personen denken? Verhalten sie sich nach der Norm, oder haben sie eine Störung? Möglichkeit eins ist jetzt, sich zu fragen, ob man selber so etwas machen würde. Sie denken kurz drüber nach, kommen zum Schluss „Nein“, also Störung. Aber Moment, anders gefragt: Warum machen diese Leute das? Ob das wichtig ist, nun ja, wie wärs damit:
Person eins ist Student, er lernt seit Wochen für eine wichtige Prüfung, von der seine Zukunft abhängt, er muss wahnsinnig viele Fremdsprachige Begriffe lernen, Latein, Altgriechisch. Er ist nur noch damit beschäftigt, alles Wissen in seinen Kopf zu prügeln und vergisst alles andere, selbst das Schlafen.
Person zwei ist vor kurzen aus dem Krankenhaus entlassen worden. Durch einen Sehnenriss konnte sie ewig nicht richtig laufen, aber jetzt kann sie Tanzen!
Person drei hat seit längerer Zeit Probleme mit den Muskeln, Magnesiummangel und ständig Krämpfe. Er war gerade unterwegs, als es wieder losging. Aber zu Hause hat er mal etwas herausgefunden: durch die andere Belastung beim Rückwärtslaufen kommt er wenigstens voran. Er will nur nach Hause und sich ausruhen, er weiß, dass es dämlich aussehen mag, aber nur so kommt er nach Hause und er ist zu eitel, um nach Hilfe zu fragen.
Und, was sagen Sie, bleiben sie bei Ihrer Meinung? Es ist natürlich alles nur theoretisch, aber ich glaube es ist leicht zu urteilen. Aber es ist auch genauso leicht, zu fragen. Erklärt vielleicht vieles. Auch eine scheinbare Abweichung von einer wie auch immer definierten Norm.
Ergänzung: In dem Report meinte ein „Experte“ (wieder so eine Definitionssache…), das Melancholie deshalb gestrichen wurde, weil man diesen Zustand wohl ziemlich gut mit Fakten belegen kann, während sich wohl alle anderen Diagnosen sich genauerer Klassifizierungen entziehen. Und das hätte wohl einfach doof ausgesehen: zig verschiedene Krankheiten, und eine ist nachweisbar. Ich habe davon wie gesagt keine Ahnung, kann da jemand was zu sagen? Würde mich ja mal interessieren…
Ergänzung 2: Burnout ist nicht annerkannt...??? Krass
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Samstag, 11. Mai 2013
Kleine Alltagsgeschichten, Teil 6
psmerga, 22:44h
Draußen fielen die ersten Schneeflocken des Jahres. Dabei war es gerade mal Ende November. Der Winter war dieses Jahr ziemlich früh dran, selbst die Bäume waren fast schon alle kahl, das Laub längst aus den Straßen aufgekehrt und die typische Weihnachtsdeko, Sterne, Tannenbäume und diese kleinen Holzhütten waren überall zu sehen. Der kalte Wind biss auf der Haut des alten Mannes, als er von seinem kleinen Einkauf zurückkam. Ein bisschen Brot, Milch, zwei Scheiben Wurst und ein leuchtend roter Apfel. Er liebte es kurz bevor die Geschäfte schlossen nochmal durch die Läden zu wandern. Die ganze Hektik war dann verschwunden, die Menschen irgendwie entspannter.
Als er ausgekühlt in seiner kleinen Wohnung ankam kochte er sich erst einmal einen Tee und legte eine Platte auf, um die Stille fortzujagen. Er setzte sich mit dem Tee auf sein Sofa und beobachte das Schauspiel vor seinem Fenster. Der Wind ließ die Flocken immer wieder aufsteigen, wirbelte sie durcheinander und das Ganze sah aus wie ein wunderschöner Tanz, einen, den er so lange nicht mehr gesehen hatte, aber irgendwie kroch eine Erinnerung in ihm hoch. Sein Blick wanderte auf ein altes Fotoalbum, eines von vielen. Aber dieses eine hatte seine ganze Aufmerksamkeit. Er ging zu seinem Regal und als er das Album in die Hand nahm bemerkte er zuerst die Staubsicht, die sich über die Jahre angesammelt hatte. Scheinbar hatte er es sehr lange nicht angesehen, aber irgendetwas in ihm sagte, dass er es jetzt tun sollte. Die Bilder weckten alte Erinnerungen, beinahe vergessen. Bilder aus der Zeit seiner Ausbildung, seines Studiums. Und dann wusste er, warum er dieses Album gegriffen hatte.
Ein altes Foto von einem verregneten Morgen. Eine Frau, die im Regen tanzt, mit einem unwiderstehlichen Lächeln, und im Hintergrund erzeugten die ersten Sonnenstrahlen des Tages einen kleinen Regenbogen. Er erinnerte sich, die beiden hatten den Tag zusammen verbracht, waren die ganze Nacht durch eine fremde Stadt gewandert und als die Sonne aufging fing es an zu regnen. Und sie begann zu tanzen. Einfach so, barfuß, in ihrem Sommerkleid. Er wollte mittanzen, aber er fühlte sich zu ungeschickt dafür. Stattdessen nahm er die Kamera, machte dieses eine Foto. Es war perfekt.
Das Ganze war inzwischen bestimmt über 30 Jahre her. Und ungefähr so lange hatte er sie auch nicht mehr gesehen. Überhaupt hatte er viele Menschen aus seiner Jugend seit Jahren nicht gesehen. Gute Freunde, Kollegen, Freundinnen. Oft hatten sich die Wege getrennt, aus allen möglichen und unmöglichen Gründen. Mal war es die Distanz, mal andere Vorstellungen, andere Ziele. Und manchmal war es einfach das Leben, das andere Pläne gemacht hatte. Er musste schmunzeln, als er daran dachte, wie er immer wieder diese Sätze hörte: „Du findest auch noch die Richtige, du bist doch jung. Du bist was Besonderes, das wird schon jemand merken.“ All dieses Zeug, das Freunde mit Beziehungen Freunden ohne Beziehungen erzählen. Aber selbst diese Sätze waren lange her. Scheinbar hatten seine Freunde es aufgegeben. Manchmal schien es ihm, als würden sie Mitleid mit ihm haben, weil er alleine war. Vielleicht schämten sie sich auch, weil sie glaubten, Unrecht gehabt zu haben. Stattdessen sahen sie ihn häufig mit diesen mitleidigen Blicken an, diese „Es hat nicht so sein sollen“ Blicke, die der inneren Überzeugung geschuldet sind, dass der eigene Lebensentwurf mit Familie, kleinem Haus und Kombi ein Allgemeingut ist, und wer es nicht hat muss ja was falsch gemacht haben.
Aber er hatte nichts falsch gemacht. Er hatte geliebt, und er wurde geliebt. Er hatte sie erlebt, die Art von Liebe, die einem das Gefühl gibt unsterblich und unbesiegbar zu sein. Die Art von Liebe, die einen zerfetzt und zerstört. Die Art von Liebe, die Opfer verlangt, aber auch die bedingungslose Liebe, die ihm entgegengebracht wurde. All diese Klischees aus Filmen, aus Songs, aus Büchern, er kannte sie alle. War daran etwas falsch? Alle stellen immer diese eine Frage: „Wirst du mich auch morgen noch lieben?“ Er konnte nur darüber lächeln. Manchmal ist es viel komplizierter. Liebe garantiert keine Beziehung, davon war er überzeugt. Ihm war etwas anderes viel wichtiger. Wenn man jemanden liebt, dann muss man diesen Moment festhalten und konservieren. Man muss sich daran erinnern, wie sehr man die Person in einem bestimmten Moment geliebt hat. Denn selbst wenn das Leben dann andere Pläne hat, die Wege sich trennen, dann bleibt dieser Gedanke im Hinterkopf. Und wenn man sich dann nach Jahren wiedersieht, man hat sich komplett in andere Richtungen entwickelt, scheinbar hat man nichts mehr gemeinsam, dann ist da trotzdem dieses Wissen. Dass irgendwo in dieser scheinbar anderen Person irgendwo der Mensch ist, den man in einem bestimmten Moment von ganzem Herzen geliebt hat.
Er blätterte noch ein bisschen durch die alten Fotos, und irgendwie erschien es ihm seltsam. Zuerst hatte er da Gefühl, dass er all diese Menschen seit damals nicht gesehen hatte. Aber das stimmte nicht. Dieser Spruch, dass man sich immer zweimal im Leben sieht, vielleicht war das doch was dran. Manchmal liegen dazwischen nur Wochen, manchmal viele Jahre. Aber es war wirklich so: man sah sich zweimal. Mindestens. Er dachte darüber nach. Vielleicht waren Menschen wie Kometen, die scheinbar ziellos durchs All fliegen. Man kommt immer wieder an anderen vorbei, manchmal gibt es Zusammenstöße, manchmal fliegt man eine Weile zusammen und manchmal fliegt man so knapp an einem anderen vorbei, das man ins Trudeln gerät, dass man aus der Bahn geworfen wird. Manche sieht man danach nur in großer Distanz mal wieder, vielleicht nur ein einziges Mal. Aber es gibt auch diese besonderen Exemplare, die scheinbar dazu verurteilt sind sich in unregelmäßigen Abständen zu begegnen. Mal fliegen sie dichter aneinander vorbei, manchmal in größerer Distanz. Aber immer wird man angezogen und umhergeschleudert, nur um danach unkoordiniert weiterzufliegen, in dem Wissen, dass es irgendwann wieder genau dazu kommen wird. Er kannte so etwas sehr gut.
Die Nadel des Plattenspielers hob sich und es herrschte wieder Stille in der Wohnung. Er schlug das Album zu, mit einem Lächeln auf den Lippen. Er wusste, er flog vielleicht ziellos durchs All, aber er flog noch, und da draußen waren viele Kometen, die er kannte, und noch so viele mehr.
Als er ausgekühlt in seiner kleinen Wohnung ankam kochte er sich erst einmal einen Tee und legte eine Platte auf, um die Stille fortzujagen. Er setzte sich mit dem Tee auf sein Sofa und beobachte das Schauspiel vor seinem Fenster. Der Wind ließ die Flocken immer wieder aufsteigen, wirbelte sie durcheinander und das Ganze sah aus wie ein wunderschöner Tanz, einen, den er so lange nicht mehr gesehen hatte, aber irgendwie kroch eine Erinnerung in ihm hoch. Sein Blick wanderte auf ein altes Fotoalbum, eines von vielen. Aber dieses eine hatte seine ganze Aufmerksamkeit. Er ging zu seinem Regal und als er das Album in die Hand nahm bemerkte er zuerst die Staubsicht, die sich über die Jahre angesammelt hatte. Scheinbar hatte er es sehr lange nicht angesehen, aber irgendetwas in ihm sagte, dass er es jetzt tun sollte. Die Bilder weckten alte Erinnerungen, beinahe vergessen. Bilder aus der Zeit seiner Ausbildung, seines Studiums. Und dann wusste er, warum er dieses Album gegriffen hatte.
Ein altes Foto von einem verregneten Morgen. Eine Frau, die im Regen tanzt, mit einem unwiderstehlichen Lächeln, und im Hintergrund erzeugten die ersten Sonnenstrahlen des Tages einen kleinen Regenbogen. Er erinnerte sich, die beiden hatten den Tag zusammen verbracht, waren die ganze Nacht durch eine fremde Stadt gewandert und als die Sonne aufging fing es an zu regnen. Und sie begann zu tanzen. Einfach so, barfuß, in ihrem Sommerkleid. Er wollte mittanzen, aber er fühlte sich zu ungeschickt dafür. Stattdessen nahm er die Kamera, machte dieses eine Foto. Es war perfekt.
Das Ganze war inzwischen bestimmt über 30 Jahre her. Und ungefähr so lange hatte er sie auch nicht mehr gesehen. Überhaupt hatte er viele Menschen aus seiner Jugend seit Jahren nicht gesehen. Gute Freunde, Kollegen, Freundinnen. Oft hatten sich die Wege getrennt, aus allen möglichen und unmöglichen Gründen. Mal war es die Distanz, mal andere Vorstellungen, andere Ziele. Und manchmal war es einfach das Leben, das andere Pläne gemacht hatte. Er musste schmunzeln, als er daran dachte, wie er immer wieder diese Sätze hörte: „Du findest auch noch die Richtige, du bist doch jung. Du bist was Besonderes, das wird schon jemand merken.“ All dieses Zeug, das Freunde mit Beziehungen Freunden ohne Beziehungen erzählen. Aber selbst diese Sätze waren lange her. Scheinbar hatten seine Freunde es aufgegeben. Manchmal schien es ihm, als würden sie Mitleid mit ihm haben, weil er alleine war. Vielleicht schämten sie sich auch, weil sie glaubten, Unrecht gehabt zu haben. Stattdessen sahen sie ihn häufig mit diesen mitleidigen Blicken an, diese „Es hat nicht so sein sollen“ Blicke, die der inneren Überzeugung geschuldet sind, dass der eigene Lebensentwurf mit Familie, kleinem Haus und Kombi ein Allgemeingut ist, und wer es nicht hat muss ja was falsch gemacht haben.
Aber er hatte nichts falsch gemacht. Er hatte geliebt, und er wurde geliebt. Er hatte sie erlebt, die Art von Liebe, die einem das Gefühl gibt unsterblich und unbesiegbar zu sein. Die Art von Liebe, die einen zerfetzt und zerstört. Die Art von Liebe, die Opfer verlangt, aber auch die bedingungslose Liebe, die ihm entgegengebracht wurde. All diese Klischees aus Filmen, aus Songs, aus Büchern, er kannte sie alle. War daran etwas falsch? Alle stellen immer diese eine Frage: „Wirst du mich auch morgen noch lieben?“ Er konnte nur darüber lächeln. Manchmal ist es viel komplizierter. Liebe garantiert keine Beziehung, davon war er überzeugt. Ihm war etwas anderes viel wichtiger. Wenn man jemanden liebt, dann muss man diesen Moment festhalten und konservieren. Man muss sich daran erinnern, wie sehr man die Person in einem bestimmten Moment geliebt hat. Denn selbst wenn das Leben dann andere Pläne hat, die Wege sich trennen, dann bleibt dieser Gedanke im Hinterkopf. Und wenn man sich dann nach Jahren wiedersieht, man hat sich komplett in andere Richtungen entwickelt, scheinbar hat man nichts mehr gemeinsam, dann ist da trotzdem dieses Wissen. Dass irgendwo in dieser scheinbar anderen Person irgendwo der Mensch ist, den man in einem bestimmten Moment von ganzem Herzen geliebt hat.
Er blätterte noch ein bisschen durch die alten Fotos, und irgendwie erschien es ihm seltsam. Zuerst hatte er da Gefühl, dass er all diese Menschen seit damals nicht gesehen hatte. Aber das stimmte nicht. Dieser Spruch, dass man sich immer zweimal im Leben sieht, vielleicht war das doch was dran. Manchmal liegen dazwischen nur Wochen, manchmal viele Jahre. Aber es war wirklich so: man sah sich zweimal. Mindestens. Er dachte darüber nach. Vielleicht waren Menschen wie Kometen, die scheinbar ziellos durchs All fliegen. Man kommt immer wieder an anderen vorbei, manchmal gibt es Zusammenstöße, manchmal fliegt man eine Weile zusammen und manchmal fliegt man so knapp an einem anderen vorbei, das man ins Trudeln gerät, dass man aus der Bahn geworfen wird. Manche sieht man danach nur in großer Distanz mal wieder, vielleicht nur ein einziges Mal. Aber es gibt auch diese besonderen Exemplare, die scheinbar dazu verurteilt sind sich in unregelmäßigen Abständen zu begegnen. Mal fliegen sie dichter aneinander vorbei, manchmal in größerer Distanz. Aber immer wird man angezogen und umhergeschleudert, nur um danach unkoordiniert weiterzufliegen, in dem Wissen, dass es irgendwann wieder genau dazu kommen wird. Er kannte so etwas sehr gut.
Die Nadel des Plattenspielers hob sich und es herrschte wieder Stille in der Wohnung. Er schlug das Album zu, mit einem Lächeln auf den Lippen. Er wusste, er flog vielleicht ziellos durchs All, aber er flog noch, und da draußen waren viele Kometen, die er kannte, und noch so viele mehr.
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Mittwoch, 24. April 2013
Kleine Alltagsgeschichten, Teil 4
psmerga, 15:51h
Hallo lieber Leser, liebe Leserin. Nach einer kleineren Pause ist es mal wieder so weit, ich erzähle Ihnen eine Geschichte. Also, für den Fall, dass Sie das überhaupt interessiert. Ich werde mich jetzt nicht wieder rechtfertigen oder so, dass kennen Sie schon und wollen es sicher nicht hören. Sollten Sie sich allerdings fragen, warum ich es überhaupt tue, nun, ich habe meine Gründe. Vielleicht werde ich irgendwann einmal meine Geschichte erzählen. Wer weiß, aber heute ist nicht dieser Tag. Wobei ich gestehen muss, dass ich schon darüber nachgedacht habe. Aber ich denke, dafür ist es zu früh. Sollten Sie jetzt sagen, man sollte Dinge nicht immer ständig überdenken, auch mal einfach handeln, dann haben sie selbstverständlich Recht. Aber ich erkläre Ihnen, warum ich mich dagegen entschieden habe.
Vor kurzem sah ich einen Film, in dem jemand folgende Frage stellte: „Würdest du, wenn du die Möglichkeit hättest, irgendetwas in deiner Vergangenheit ändern?“ Unabhängig davon, wie die Antwort in diesem Film ausfiel möchte ich die Frage einmal weiterreichen. Würden Sie etwas ändern? Ich muss gestehen, ich dachte kurz darüber nach, dass die Vorstellung doch sehr verlockend ist. Einfach Dinge, die man falsch gemacht hat, anders angehen. Dinge, die man sagte eben nicht oder anders sagen, und in den Momenten, in denen man handeln oder reden sollte, aber nichts tat, einfach aktiv werden. Jeder hat doch in seiner Vergangenheit diese Momente, die einen verfolgen, Erinnerungen an Situationen, in denen man sich dämlich benommen hat, in denen man einer Person gegenüber nicht das sagte, was man eigentlich wollte. Und je mehr man darüber nachdenkt, umso mehr vermeintliche Fehleinschätzungen offenbaren sich. Also klar, her mit der Zeitmaschine, heute wird alles korrigiert, heute holen wir uns die perfekten Leben, die wir haben könnten, wenn dir nicht so unfähig gewesen wären.
Aber stimmt das wirklich? Wäre mein Leben ein besseres, wenn ich die Vergangenheit ändern würde? Ich meine, woher kommt denn der Wunsch, etwas zu „verbessern“? Eigentlich doch nur daher, dass ich weiß, welche Konsequenzen diese oder jene Entscheidung hatte. Hätte ich damals nicht so viel getrunken, hätte ich mich nicht lächerlich gemacht. Hätte ich andere Leistungskurse besucht, wäre mein Abi besser. Und wenn ich woanders studiert hätte…. Aber sehen Sie, wo das Problem ist. Das ist alles Konjunktiv! Ich habe keine Ahnung, was dann gewesen wäre, alles ist reine Spekulation. Wer sagt mir dann, dass ich wirklich falsch gehandelt habe? Ich meine, durch alles was ich tue, lerne ich. Natürlich entscheide ich Dinge mit 16 anders als mit 26. Aber ist das nicht vollkommen normal? Und wenn ich in jungen Jahren nicht so gehandelt hätte, würden mir die Erfahrungen fehlen, um es heute anders zu machen. Am Ende bin ich doch nur so, wie ich bin, weil ich diese Person selber geschaffen habe. Und ganz ehrlich: wenn man in den Spiegel gucken kann, und trotz der Kenntnis über alle kleineren und größeren Macken, physisch wie psychisch, mit sich im Reinen ist, erübrigt sich dann nicht die Frage, ob es anders besser gewesen wäre? Am Ende ist die Persönlichkeit etwas, dass man durch sein Leben, und wie man es führt, entwickelt. Alle Wünsche, alle Ziele, alles Wissen basiert auf Dingen, die ich getan, gesagt, gelesen, gehört, bewertet oder eben nicht getan habe. Genau deshalb entwickeln wir uns weiter, vom möglicherweise naivem, zurückgezogenen Teenager hin zum selbstbewussten Erwachsenen. Vielleicht bin ich in meiner Jugend ein Raufbold, aber später ein guter Redner. Aber ganz egal, wer ich bin oder was ich war: ich war vor allem immer ich. Und kleine oder große Unzulänglichkeiten gehören einfach dazu. Außerdem: ohne wäre es doch auch viel zu langweilig, oder?
Jedenfalls kam ich für mich zu dem Schluss, dass ich nichts ändern würde. Klar gab es echt miese Momente, aber sie haben mich geprägt und beeinflusst. Sie haben mich stark gemacht. Und es erfordert viel mehr Courage das Leben so zu nehmen, wie es ist, als ständig damit zu hadern. Warum gibt es denn solche Dinge wie Extremsportarten, Survival-Urlaub und dieses ganze Zeug? Weil man ständig auf der Suche nach Herausforderungen ist. Dafür legt man dann auch gerne viel Geld auf den Tisch, reist um den halben Planeten um irgendwo von einer Klippe zu springen. Aber wenn das Leben eine Herausforderung frei Haus liefert, dann wird gejammert. Irgendwie paradox. Also meiner Meinung nach.
Aber genug davon, vielleicht liege ich auch falsch und habe da irgendwo einen Denkfehler, lasse da gerne mit mir reden. Kommen wir zur eigentlichen Geschichte. Mal wieder etwas anderes, aber lesen Sie selbst.
Tag 8, Lednice, 17:45 Uhr
Es ist passiert, gestern habe ich das erste Mal gegen mein Reisekonzept verstoßen. Statt einfach zum nächsten Bahnhof zu gehen und in den nächsten abfahrenden Zug zu steigen habe ich mich in einen Bus gesetzt. Ok, so groß ist der Unterschied jetzt nicht, aber er ist da. Aber es ist erstaunlich: nach Nancy, Basel, dem kleinen Trip nach Lichtenstein, Wien und Prag hat es mich diesmal in eine ziemlich kleine Stadt verschlagen. Wenig Touristen, überhaupt ist hier einiges anders als in den größeren Städten. Da war es im Grunde immer ähnlich: die Orte, an denen sich die Urlauber rumtreiben, die Einkaufsstraßen mit den immer gleichen Läden, die kleinen „geheimen“ Ecken, die Randbezirke…
So gesehen sind sich alle Städte im Grunde sehr ähnlich, um dann in den Kleinigkeiten aber doch ganz anders als andere zu sein. Irgendwie ein bisschen wie bei Menschen: man findet Oberbegriffe, was weiß ich, Bürohengst, Punk, Nerd, ach keine Ahnung, all diese Einteilungen, um jemanden in eine Schublade zu stecken. Und jeder passt in mehrere dieser Schubladen. Aber trotzdem sind die Verhältnisse bei jedem anders, die ganzen Kleinigkeiten sind verschieden und deshalb ist jeder am Ende halt doch nicht einfach „schubladenfähig“. Und bei Städten ist es das gleiche: ich mag die Teile kennen, aber das Ergebnis ist immer ein anderes.
Gestern war es übrigens sehr knapp, beinahe hätte ich den Weg in ein Internetcafé gefunden. Jetzt schon über eine Woche ohne Handy, ohne Internet, ohne Kontakt zu Familie und Freunden, das ist schon ein komisches Gefühl. Aber darum ging es ja auch, einfach mal testen, ob ich sowas noch kann. Nicht erreichbar sein, nicht ständig auf dem Bildschirm kleben. Manchmal ist es schwierig, aber meistens geht’s ganz gut. Vor allem, weil ich viel mit anderen Menschen in Kontakt treten muss, und das teilweise echt großartig ist. Hatte ich von dem Typen in Wien erzählt? Ich glaube nicht. Den hatte ich abends in einer Bar getroffen, weil ich keine Unterkunft hatte und die Nacht irgendwie rumkriegen musste. Er kam aus England und seine Story war schon krass.
Er hatte Anfang des Jahres seine Urlaubsplanung abgeben müssen und das alles mit seiner Freundin abgestimmt. Aber dann kam es anders: seine Freundin wurde befördert, musste umziehen, Karriere, und am Ende saß er alleine in der ehemals gemeinsamen Wohnung. Und drei Wochen später ging der Urlaub los, ganz toll. Das Schönste war seine Begründung, warum er nach Wien gekommen war. Die beiden hatten natürlich überlegt, wohin sie fahren wollten, und sie schimpfte total über Wien. Viel zu teuer und was weiß ich nicht alles, sie hasste die Stadt und würde da niemals hin fahren wollen. Tja, ich kann verstehen, warum er genau dahin gefahren ist. Es ist schon erstaunlich, wie solche Kleinigkeiten uns beeinflussen. Er fand Wien jedenfalls großartig.
Ich habe auch wieder mein Buch ausgetauscht. Das Letzte, dieses „wissenschaftliche“ Buch, nach dem jeder ein Egoist sein soll und jederzeit rein rational abwägt, wie er sich gegenüber allen anderen besser stellen kann, das jeder im Grunde nur Kosten und Nutzen abwägt und dieses ganze Zeug… Grausam. Sowas soll also Wissenschaft sein? Diese ganzen Modelle aus der Wirtschaft funktionieren selbst dort nur unter irgendwelchen niemals realisierbaren „Optimalbedingungen“, und dann wird das mal eben eins zu eins auf den Menschen und sein Sozialverhalten projiziert? Ist klar. Wenn da tatsächlich was dran sein sollte, wäre dann nicht jede Kommunikation überflüssig? Ich weiß, was das Beste für mich ist und mir wäre klar, dass alle anderen mir nur Böses wollen. Über was soll ich dann reden? So richtig schlüssig erscheint mir das alles nicht. Egal.
Das neue Buch ist ein Roman, und ich bin begeistert. Aber vom Anfang. Ich war in Prag in so einem dieser kleinen Eck-cafés. Wirklich schön, und am Nebentisch saß eine junge Frau vertieft in diesen Roman. Ich fragte, was sie lesen würde und wir kamen ins Gespräch. Sie schwärmte geradezu von diesem Roman. Es war „Tender is the Night“ von F. Scott Fitzgerald. Ich hatte den Namen schonmal gehört, wusste aber nicht mehr genau in welchem Zusammenhang. Jedenfalls erzählte sie ein bisschen und was ich hörte, machte mich neugierig. Ich erzählte von meiner Reise und meiner Idee mit den Büchern. Das ich mit einem Buch gestartet war und sobald ich es ausgelesen hatte es gegen ein anderes austauschen würde. Immerhin war dieses unsägliche Buch schon mein drittes, mein Plan ging also bisher auf. Jedenfalls gefiel ihr diese Idee und wir redeten bestimmt 2 oder 3 Stunden über Romane und was weiß ich nicht alles. Sie studierte Geschichte und hatte sich gerade ziemlich mit den 20er Jahren beschäftigt, Hemmingway, Picasso, Dali, und eben auch Fitzgerald. Da wusste ich auch wieder, woher ich den Namen kannte: dieser Woody Allen Film, „Midnight in Paris“. Sie kannte ihn, natürlich. Wir gingen dann noch eine ganze Weile durch die Stadt und sie zeigte mir ein paar echt schöne Ecken. Am Ende war ich sogar bei ihr zu Hause und wir schauten den Film, ich durfte sogar auf dem Sofa übernachten, was deutlich besser war als wieder ein muchtiges Hostel zu suchen. Am nächsten Morgen, bevor ich mich auf den Weg machte gab sie mir den Roman, sie hatte nur 2 Bedingungen: ich sollte ihr unbedingt ein Feedback geben und ihn wenn möglich zurückschicken.
Auf der Fahrt nach Lednice begann ich zu lesen, und verdammt, so möchte ich auch mal schreiben können. Das ist großartig. So gesehen war das auch der Grund, warum es mich beinahe in ein Internetcafé verschlagen hätte: soziale Netzwerke nach ihr absuchen und sofort Kontakt aufnehmen. Aber ich hielt mich zurück, meine Reise geht noch ein paar Tage, und ich ziehe das jetzt durch. Ich habe ja ihre Adresse, ich werde vielleicht einen Brief schreiben, ist eh viel schöner, oder?
Aber jetzt mal ein paar Worte zu diesem kleinen Städtchen: es ist wunderschön. So etwas habe ich lange nicht erlebt. Als ich mit dem Bus ankam sah man gleich eins dieser großen, tollen Hotels, da hätte ich schon ahnen können, dass es hier was Spannendes zu sehen gibt. Aber ich interessierte mich mehr für einen alten Mann, der auf dem Parkplatz stand und diese typisch tschechischen Oblaten verkaufte. Ich kam mit ihm ins Gespräch und er erzählte mir, dass er das schon über 30 Jahre machen würde. Ich fand das ziemlich beeindruckend: während jeder Büroarbeiter oder was weiß ich bei uns nach 30 Jahren wohl 2 Burnouts gehabt hätte und total fertig wäre, war dieser Mann ganz anders. Er war total entspannt, lächelte unentwegt, war total freundlich und gab mir ein paar Tipps, was es hier zu sehen geben würde.
Da es schon recht spät war und ich den ganzen Tag nichts gegessen hatte kam mir ein kleines Hotel mit Restaurant an einem kleinen Hang sehr gelegen. Ich buchte für eine Nacht ein Zimmer, und setzte mich nach dem einchecken auf die Terrasse des Restaurant. Das Essen war, wie eigentlich überall hier, wahnsinnig gut. Dazu kam diese Atmosphäre: die Sonne ging langsam unter, die warme Sommerluft wehte diesen kleinen Hang hinauf, ich kann das gar nicht richtig beschreiben, es fühlte sich einfach gut an. Es war einer dieser Momente, in denen alles einfach, ich weiß nicht, perfekt ist. Man ist einfach zufrieden mit sich und der Welt.
Heute war ich dann in der doch recht kleinen Stadt unterwegs, und das, was ich gesehen habe, verschlug mir den Atem. Ich kann nicht gerade sagen, dass ich ein Faible für Architektur hätte. Vielleicht hat meine damalige Kunstlehrerin daran Schuld. Aber ich konnte mich niemals für Burgen, Schlösser und dieses ganze Zeug begeistern. Jedenfalls nie so richtig. Bis heute. Der alte Mann hatte mir gestern den Tipp gegeben, dass es hier ein altes Schloss geben würde, und da ich ja eh keinen Plan hatte wollte ich es mir ansehen. Schon als ich den Park betrat ahnte ich, dass es anders sein würde als sonst. Diese ganze Parkanlage, die Blumenbeete, das war wunderschön. Und als ich dann vor diesem Schloss stand fehlten mir die Worte. Einfach unglaublich. Erhaben. Was weiß ich, ich kann es nicht beschreiben, es war einfach klasse. Ich setzte mich auf eine Bank im Park und habe dieses Bauwerk bestimmt 30 Minuten einfach angesehen. Ich konnte das gar nicht fassen, so etwas war mir noch nie passiert. Als ich mir danach alles aus der Nähe betrachtete, diese ganzen kleinen Details, das Innere, es war einfach grandios. Und als ob das nicht schon gereicht hätte war neben diesem Schloss eine Art riesiges Gewächshaus, in dem alle möglichen und unmöglichen Pflanzen wuchsen. Die Geräusche da drinnen, die Farben, die Gerüche. Das war auf jeden Fall eins der bisherigen Highlights meiner Reise, und ich befürchte, dass es schwer zu toppen sein wird.
Inzwischen bin ich wieder unterwegs, ich glaube Richtung Ungarn. Ich lass mich überraschen. Mal sehen, was die nächsten Tage für mich bereithalten. Jetzt muss ich erstmal weiterlesen….
Vor kurzem sah ich einen Film, in dem jemand folgende Frage stellte: „Würdest du, wenn du die Möglichkeit hättest, irgendetwas in deiner Vergangenheit ändern?“ Unabhängig davon, wie die Antwort in diesem Film ausfiel möchte ich die Frage einmal weiterreichen. Würden Sie etwas ändern? Ich muss gestehen, ich dachte kurz darüber nach, dass die Vorstellung doch sehr verlockend ist. Einfach Dinge, die man falsch gemacht hat, anders angehen. Dinge, die man sagte eben nicht oder anders sagen, und in den Momenten, in denen man handeln oder reden sollte, aber nichts tat, einfach aktiv werden. Jeder hat doch in seiner Vergangenheit diese Momente, die einen verfolgen, Erinnerungen an Situationen, in denen man sich dämlich benommen hat, in denen man einer Person gegenüber nicht das sagte, was man eigentlich wollte. Und je mehr man darüber nachdenkt, umso mehr vermeintliche Fehleinschätzungen offenbaren sich. Also klar, her mit der Zeitmaschine, heute wird alles korrigiert, heute holen wir uns die perfekten Leben, die wir haben könnten, wenn dir nicht so unfähig gewesen wären.
Aber stimmt das wirklich? Wäre mein Leben ein besseres, wenn ich die Vergangenheit ändern würde? Ich meine, woher kommt denn der Wunsch, etwas zu „verbessern“? Eigentlich doch nur daher, dass ich weiß, welche Konsequenzen diese oder jene Entscheidung hatte. Hätte ich damals nicht so viel getrunken, hätte ich mich nicht lächerlich gemacht. Hätte ich andere Leistungskurse besucht, wäre mein Abi besser. Und wenn ich woanders studiert hätte…. Aber sehen Sie, wo das Problem ist. Das ist alles Konjunktiv! Ich habe keine Ahnung, was dann gewesen wäre, alles ist reine Spekulation. Wer sagt mir dann, dass ich wirklich falsch gehandelt habe? Ich meine, durch alles was ich tue, lerne ich. Natürlich entscheide ich Dinge mit 16 anders als mit 26. Aber ist das nicht vollkommen normal? Und wenn ich in jungen Jahren nicht so gehandelt hätte, würden mir die Erfahrungen fehlen, um es heute anders zu machen. Am Ende bin ich doch nur so, wie ich bin, weil ich diese Person selber geschaffen habe. Und ganz ehrlich: wenn man in den Spiegel gucken kann, und trotz der Kenntnis über alle kleineren und größeren Macken, physisch wie psychisch, mit sich im Reinen ist, erübrigt sich dann nicht die Frage, ob es anders besser gewesen wäre? Am Ende ist die Persönlichkeit etwas, dass man durch sein Leben, und wie man es führt, entwickelt. Alle Wünsche, alle Ziele, alles Wissen basiert auf Dingen, die ich getan, gesagt, gelesen, gehört, bewertet oder eben nicht getan habe. Genau deshalb entwickeln wir uns weiter, vom möglicherweise naivem, zurückgezogenen Teenager hin zum selbstbewussten Erwachsenen. Vielleicht bin ich in meiner Jugend ein Raufbold, aber später ein guter Redner. Aber ganz egal, wer ich bin oder was ich war: ich war vor allem immer ich. Und kleine oder große Unzulänglichkeiten gehören einfach dazu. Außerdem: ohne wäre es doch auch viel zu langweilig, oder?
Jedenfalls kam ich für mich zu dem Schluss, dass ich nichts ändern würde. Klar gab es echt miese Momente, aber sie haben mich geprägt und beeinflusst. Sie haben mich stark gemacht. Und es erfordert viel mehr Courage das Leben so zu nehmen, wie es ist, als ständig damit zu hadern. Warum gibt es denn solche Dinge wie Extremsportarten, Survival-Urlaub und dieses ganze Zeug? Weil man ständig auf der Suche nach Herausforderungen ist. Dafür legt man dann auch gerne viel Geld auf den Tisch, reist um den halben Planeten um irgendwo von einer Klippe zu springen. Aber wenn das Leben eine Herausforderung frei Haus liefert, dann wird gejammert. Irgendwie paradox. Also meiner Meinung nach.
Aber genug davon, vielleicht liege ich auch falsch und habe da irgendwo einen Denkfehler, lasse da gerne mit mir reden. Kommen wir zur eigentlichen Geschichte. Mal wieder etwas anderes, aber lesen Sie selbst.
Tag 8, Lednice, 17:45 Uhr
Es ist passiert, gestern habe ich das erste Mal gegen mein Reisekonzept verstoßen. Statt einfach zum nächsten Bahnhof zu gehen und in den nächsten abfahrenden Zug zu steigen habe ich mich in einen Bus gesetzt. Ok, so groß ist der Unterschied jetzt nicht, aber er ist da. Aber es ist erstaunlich: nach Nancy, Basel, dem kleinen Trip nach Lichtenstein, Wien und Prag hat es mich diesmal in eine ziemlich kleine Stadt verschlagen. Wenig Touristen, überhaupt ist hier einiges anders als in den größeren Städten. Da war es im Grunde immer ähnlich: die Orte, an denen sich die Urlauber rumtreiben, die Einkaufsstraßen mit den immer gleichen Läden, die kleinen „geheimen“ Ecken, die Randbezirke…
So gesehen sind sich alle Städte im Grunde sehr ähnlich, um dann in den Kleinigkeiten aber doch ganz anders als andere zu sein. Irgendwie ein bisschen wie bei Menschen: man findet Oberbegriffe, was weiß ich, Bürohengst, Punk, Nerd, ach keine Ahnung, all diese Einteilungen, um jemanden in eine Schublade zu stecken. Und jeder passt in mehrere dieser Schubladen. Aber trotzdem sind die Verhältnisse bei jedem anders, die ganzen Kleinigkeiten sind verschieden und deshalb ist jeder am Ende halt doch nicht einfach „schubladenfähig“. Und bei Städten ist es das gleiche: ich mag die Teile kennen, aber das Ergebnis ist immer ein anderes.
Gestern war es übrigens sehr knapp, beinahe hätte ich den Weg in ein Internetcafé gefunden. Jetzt schon über eine Woche ohne Handy, ohne Internet, ohne Kontakt zu Familie und Freunden, das ist schon ein komisches Gefühl. Aber darum ging es ja auch, einfach mal testen, ob ich sowas noch kann. Nicht erreichbar sein, nicht ständig auf dem Bildschirm kleben. Manchmal ist es schwierig, aber meistens geht’s ganz gut. Vor allem, weil ich viel mit anderen Menschen in Kontakt treten muss, und das teilweise echt großartig ist. Hatte ich von dem Typen in Wien erzählt? Ich glaube nicht. Den hatte ich abends in einer Bar getroffen, weil ich keine Unterkunft hatte und die Nacht irgendwie rumkriegen musste. Er kam aus England und seine Story war schon krass.
Er hatte Anfang des Jahres seine Urlaubsplanung abgeben müssen und das alles mit seiner Freundin abgestimmt. Aber dann kam es anders: seine Freundin wurde befördert, musste umziehen, Karriere, und am Ende saß er alleine in der ehemals gemeinsamen Wohnung. Und drei Wochen später ging der Urlaub los, ganz toll. Das Schönste war seine Begründung, warum er nach Wien gekommen war. Die beiden hatten natürlich überlegt, wohin sie fahren wollten, und sie schimpfte total über Wien. Viel zu teuer und was weiß ich nicht alles, sie hasste die Stadt und würde da niemals hin fahren wollen. Tja, ich kann verstehen, warum er genau dahin gefahren ist. Es ist schon erstaunlich, wie solche Kleinigkeiten uns beeinflussen. Er fand Wien jedenfalls großartig.
Ich habe auch wieder mein Buch ausgetauscht. Das Letzte, dieses „wissenschaftliche“ Buch, nach dem jeder ein Egoist sein soll und jederzeit rein rational abwägt, wie er sich gegenüber allen anderen besser stellen kann, das jeder im Grunde nur Kosten und Nutzen abwägt und dieses ganze Zeug… Grausam. Sowas soll also Wissenschaft sein? Diese ganzen Modelle aus der Wirtschaft funktionieren selbst dort nur unter irgendwelchen niemals realisierbaren „Optimalbedingungen“, und dann wird das mal eben eins zu eins auf den Menschen und sein Sozialverhalten projiziert? Ist klar. Wenn da tatsächlich was dran sein sollte, wäre dann nicht jede Kommunikation überflüssig? Ich weiß, was das Beste für mich ist und mir wäre klar, dass alle anderen mir nur Böses wollen. Über was soll ich dann reden? So richtig schlüssig erscheint mir das alles nicht. Egal.
Das neue Buch ist ein Roman, und ich bin begeistert. Aber vom Anfang. Ich war in Prag in so einem dieser kleinen Eck-cafés. Wirklich schön, und am Nebentisch saß eine junge Frau vertieft in diesen Roman. Ich fragte, was sie lesen würde und wir kamen ins Gespräch. Sie schwärmte geradezu von diesem Roman. Es war „Tender is the Night“ von F. Scott Fitzgerald. Ich hatte den Namen schonmal gehört, wusste aber nicht mehr genau in welchem Zusammenhang. Jedenfalls erzählte sie ein bisschen und was ich hörte, machte mich neugierig. Ich erzählte von meiner Reise und meiner Idee mit den Büchern. Das ich mit einem Buch gestartet war und sobald ich es ausgelesen hatte es gegen ein anderes austauschen würde. Immerhin war dieses unsägliche Buch schon mein drittes, mein Plan ging also bisher auf. Jedenfalls gefiel ihr diese Idee und wir redeten bestimmt 2 oder 3 Stunden über Romane und was weiß ich nicht alles. Sie studierte Geschichte und hatte sich gerade ziemlich mit den 20er Jahren beschäftigt, Hemmingway, Picasso, Dali, und eben auch Fitzgerald. Da wusste ich auch wieder, woher ich den Namen kannte: dieser Woody Allen Film, „Midnight in Paris“. Sie kannte ihn, natürlich. Wir gingen dann noch eine ganze Weile durch die Stadt und sie zeigte mir ein paar echt schöne Ecken. Am Ende war ich sogar bei ihr zu Hause und wir schauten den Film, ich durfte sogar auf dem Sofa übernachten, was deutlich besser war als wieder ein muchtiges Hostel zu suchen. Am nächsten Morgen, bevor ich mich auf den Weg machte gab sie mir den Roman, sie hatte nur 2 Bedingungen: ich sollte ihr unbedingt ein Feedback geben und ihn wenn möglich zurückschicken.
Auf der Fahrt nach Lednice begann ich zu lesen, und verdammt, so möchte ich auch mal schreiben können. Das ist großartig. So gesehen war das auch der Grund, warum es mich beinahe in ein Internetcafé verschlagen hätte: soziale Netzwerke nach ihr absuchen und sofort Kontakt aufnehmen. Aber ich hielt mich zurück, meine Reise geht noch ein paar Tage, und ich ziehe das jetzt durch. Ich habe ja ihre Adresse, ich werde vielleicht einen Brief schreiben, ist eh viel schöner, oder?
Aber jetzt mal ein paar Worte zu diesem kleinen Städtchen: es ist wunderschön. So etwas habe ich lange nicht erlebt. Als ich mit dem Bus ankam sah man gleich eins dieser großen, tollen Hotels, da hätte ich schon ahnen können, dass es hier was Spannendes zu sehen gibt. Aber ich interessierte mich mehr für einen alten Mann, der auf dem Parkplatz stand und diese typisch tschechischen Oblaten verkaufte. Ich kam mit ihm ins Gespräch und er erzählte mir, dass er das schon über 30 Jahre machen würde. Ich fand das ziemlich beeindruckend: während jeder Büroarbeiter oder was weiß ich bei uns nach 30 Jahren wohl 2 Burnouts gehabt hätte und total fertig wäre, war dieser Mann ganz anders. Er war total entspannt, lächelte unentwegt, war total freundlich und gab mir ein paar Tipps, was es hier zu sehen geben würde.
Da es schon recht spät war und ich den ganzen Tag nichts gegessen hatte kam mir ein kleines Hotel mit Restaurant an einem kleinen Hang sehr gelegen. Ich buchte für eine Nacht ein Zimmer, und setzte mich nach dem einchecken auf die Terrasse des Restaurant. Das Essen war, wie eigentlich überall hier, wahnsinnig gut. Dazu kam diese Atmosphäre: die Sonne ging langsam unter, die warme Sommerluft wehte diesen kleinen Hang hinauf, ich kann das gar nicht richtig beschreiben, es fühlte sich einfach gut an. Es war einer dieser Momente, in denen alles einfach, ich weiß nicht, perfekt ist. Man ist einfach zufrieden mit sich und der Welt.
Heute war ich dann in der doch recht kleinen Stadt unterwegs, und das, was ich gesehen habe, verschlug mir den Atem. Ich kann nicht gerade sagen, dass ich ein Faible für Architektur hätte. Vielleicht hat meine damalige Kunstlehrerin daran Schuld. Aber ich konnte mich niemals für Burgen, Schlösser und dieses ganze Zeug begeistern. Jedenfalls nie so richtig. Bis heute. Der alte Mann hatte mir gestern den Tipp gegeben, dass es hier ein altes Schloss geben würde, und da ich ja eh keinen Plan hatte wollte ich es mir ansehen. Schon als ich den Park betrat ahnte ich, dass es anders sein würde als sonst. Diese ganze Parkanlage, die Blumenbeete, das war wunderschön. Und als ich dann vor diesem Schloss stand fehlten mir die Worte. Einfach unglaublich. Erhaben. Was weiß ich, ich kann es nicht beschreiben, es war einfach klasse. Ich setzte mich auf eine Bank im Park und habe dieses Bauwerk bestimmt 30 Minuten einfach angesehen. Ich konnte das gar nicht fassen, so etwas war mir noch nie passiert. Als ich mir danach alles aus der Nähe betrachtete, diese ganzen kleinen Details, das Innere, es war einfach grandios. Und als ob das nicht schon gereicht hätte war neben diesem Schloss eine Art riesiges Gewächshaus, in dem alle möglichen und unmöglichen Pflanzen wuchsen. Die Geräusche da drinnen, die Farben, die Gerüche. Das war auf jeden Fall eins der bisherigen Highlights meiner Reise, und ich befürchte, dass es schwer zu toppen sein wird.
Inzwischen bin ich wieder unterwegs, ich glaube Richtung Ungarn. Ich lass mich überraschen. Mal sehen, was die nächsten Tage für mich bereithalten. Jetzt muss ich erstmal weiterlesen….
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