Donnerstag, 2. Mai 2013
Kleine Alltagsgeschichten, Teil 5
Ich muss ja ganz ehrlich zugeben, dass mir meine Arbeit zwar sehr Spaß macht, aber irgendwie ist da immer so ein kleiner Beigeschmack. Ich meine, ich erzähle Geschichten, so weit, so normal, möchte man meinen. Doch eigentlich ist das ja nur die halbe Wahrheit. Ich schreibe sie auf, und so fehlt am Ende der direkte Draht, den man ja hat, wenn man ein Gespräch führt. Auf der einen Seite hat das ja auch Vorteile: potenziell kann ich mehr Menschen erreichen, und mein Ziel, andere zum Erzählen (oder auch Schreiben) zu bringen, wird so vielleicht tatsächlich erfüllt. Andererseits kann es aber auch so sein, dass es niemand liest, und alles für die Katz ist. Würde ich das alles tatsächlich jemandem erzählen, so wüsste ich zumindest, dass eine Person zuhört. Sie fragen sich sicherlich, warum mir das so zu denken gibt, ich werde versuchen, es etwas genauer zu erklären.

Geschichten leben am Ende davon, dass sie kommuniziert werden, und der direkteste Weg ist und bleibt das Erzählen von Angesicht zu Angesicht. Klarer Vorteil sind die Einsatzmöglichkeiten von Mimik und Gestik, ich kann dem gesagten viel mehr Wirkung einhauchen, im Idealfall sieht man dem Erzähler die Emotionen, die Begeisterung an, der Funke springt über, der Moment brennt sich ins Gedächtnis. Wenn man allerdings etwas liest wird die Sache schwerer. Ich muss als Leser bereit sein, meinen Kopf, meine Phantasie einzusetzen, der Schreiber gibt nur den Impuls, ob ich darauf eingehe kann er aber nach dem Aufschreiben nicht mehr beeinflussen. Dass Bücher trotzdem so erfolgreich sind zeigt ja, dass so etwas funktioniert. Aber nicht jeder nimmt noch Bücher in die Hand. Lesen hat vielleicht an Wert verloren. Aber das Paradoxe ist: obwohl der Wert meiner Meinung nach abnimmt, wird immer mehr gelesen, und immer weniger geredet. Glauben Sie nicht? Dann habe ich ein paar Fragen…

Wann haben sie heute das erste Mal ihre Mails gecheckt? Haben Sie doch bestimmt schon erledigt, oder etwa nicht? Vielleicht war ja was Spannendes dabei. Oder was Wichtiges. Unter Umständen war es auch nur der Hinweis, dass auf Ihrem Facebook Profil etwas passiert ist. Da waren Sie doch sicher auch schon, oder? Jemand hat Ihr Foto kommentiert. Eine knappe Zeile, dazu ein Link zu einem Video. Zwei Einladungen zu Veranstaltungen, eine Nachricht (Inhalt: „Was geht heut noch?????“) und drei Likes zu Ihrem gelinktem Gedicht. Dafür, dass Sie nur 7 Stunden nicht online waren doch recht gute Ausbeute. Sie antworten kurz auf die Nachricht („Nicht viel….“), schauen sich die ersten 15 Sekunden des Videos an (klicken danach auf „Gefällt mir“), und danach wird noch eine kurze Nachricht über Twitter versendet. Alles in allem waren sie mit lesen der Mails und dem Checken Ihres Profils 15, vielleicht 20 Minuten beschäftigt. Und alle Kommunikation in dieser Zeit war ein lapidares „Nicht viel….“.

Zugegeben, das Ganze sollte gerade sehr überspitzt sein, und ich wollte Sie keinesfalls angreifen. Aber kennen Sie solche Momente? Ich schon. Und manchmal verwirrt mich das nur noch. Ich meine, die Möglichkeiten zu kommunizieren sind heute unglaublich: wir können in Sekundenschnelle jeden beliebigen Ort der Welt kontaktieren, senden Signale ins All und zurück, quer über den Planeten. Und was senden wir? Smileys… Wir sind ständig erreichbar, immer bereit uns mitzuteilen und zuzuhören. Aber wir haben nichts mehr zu sagen. Denken Sie einfach mal zehn, oder 15 Jahre zurück. Facebook, Twitter, Skype, das gab es nicht. Nicht jeder hatte ein Handy, und an Smartphones war nicht zu denken. Kommunikation musste über das Telefon, Gespräche oder Briefe erfolgen. Wann haben sie das letzte Mal einem Freund oder einer Freundin einen Brief geschrieben? Auf Briefpapier? Da war nichts mit dem Versenden eines Links zu einem Gedicht, man musste das Abschreiben, in Schönschrift. Aber war doch toll, wenn man sowas bekommen hat. Allein dieses Kribbeln, wenn man ein paar Tage auf die Antwort warten musste. Ich will nicht sagen, dass das alles besser war, aber der Aufwand war höher, man überlegte genauer, was man wie mitteilt. Einen Brief abschicken, in dem nichts stehst war sinnlos. Heute kurze Nachrichten mit Nichtigkeiten zu verschicken ist ganz normal und durch die Technik bedingt. Twitter hat nur begrenzte Zeichen. Wenn du was sagen willst, dann mach es kurz! Der eigentliche Sinn von Kommunikation, Dialoge, Verständigung, Streitgespräche, wird immer mehr verwischt. Zumindest kommt es mir häufig so vor. Vielleicht bin ich auch ein Schwarzseher, aber jetzt mal im Ernst, was ist schöner: auf einer Party eine Telefonnummer zugesteckt bekommen und dann nervös anrufen, nicht wissend, ob die Person überhaupt rangeht, diese Aufregung spüren, überhaupt die Überwindung, die Nummer zu wählen. Oder ein kurzer Klick auf den „Freund/in hinzufügen“ Button bei Facebook, zwischen zwei Youtube Videos? Und was hat am Ende die höhere Wertigkeit?

Doch genug davon, ein geschriebener Monolog erfüllt wohl genau das, was ich anprangere, ich tappe in meine eigene Falle… Daher lenke ich einfach ab, ich wollte ja auch was erzählen.



Er saß seit zwei, vielleicht auch schon drei Stunden an seinem Schreibtisch. Vor ihm ein Block Papier, ein paar Kugelschreiber, Bleistifte. Als er sich gesetzt hatte war der Block nagelneu, jetzt fehlte die Hälfte der Seiten. Zerknüllt und verstreut lagen sie quer im Zimmer verteilt. Immer wieder versuchte er sich aufzuraffen, begann von vorne, brach ab. Dabei wusste er gar nicht, was er eigentlich schreiben wollte. Einen Brief? Eine Geschichte? Vielleicht ein Gedicht? Er wünschte, er hätte Talent für so etwas. Die richtigen Worte zu finden. Aber es klappte einfach nicht. Langsam verkrampfte sich seine Hand. Die Finger versteiften sich und die Muskeln verharrten gespannt, ohne, dass er etwas dagegen tun konnte. Wenn es wenigstens wehtun würde. Er spürte nichts, nur, dass die Hand ihm nicht gehorchte. Er versuchte den Krampf zu lösen, massierte die Hand, und sah sich im Zimmer um. Es war mitten in der Nacht, nur die kleine Schreibtischlampe spendete etwas Licht. Er wusste, dass er schlafen sollte. Aber er konnte nicht. Selbst wenn er es versuchte, blieb er stundenlang wach. Er hatte genug davon. Genug vom Umherwälzen, genug vom auf die Uhr starren. Genug vom nichts tun. Aber irgendwie hatte er genau dieses Gefühl: nichts zu tun. Oder besser: nichts zu schaffen. Was war daran so schwer, irgendetwas aufzuschreiben? Wie machten Autoren das. Es gibt doch diese Leute, die ein Buch, ein Gedicht nach dem Anderen schreiben. Haben diese Leute jemals Schreibblockaden? Es muss ein tolles Gefühl sein, so etwas zu können. Einfach einen Stift nehmen und darauf los schreiben. So wie ein Musiker nur sein Instrument nimmt und drauflosspielt, ein Sportler nur sein Spielgerät oder was auch immer. Und er? Sport? Das ging nicht. Musik irgendwie auch nicht, und schreiben ganz offensichtlich auch nicht. Wieder kam in ihm dieser Zorn hoch. Auf sich selbst, auf den ganzen Mist, der passiert war. Warum war das alles passiert… Er wusste es nicht.

Langsam konnte er die Finger wieder bewegen, der Krampf löste sich er wollte noch einmal versuchen irgendwas Sinnvolles auf Papier zu bringen. Große Hoffnung hatte er allerdings nicht.


Changed

Woke up this morning
Yesterday seems so far away
I slept
Way to long
Didn’t know what happened
Can’t even remember when I went to bed

Saw your face, barely smiling
Hear your voice, whispering
“We changed”

I wanted to reach you
But I couldn’t move

I wanted to shout
But I couldn’t speak

I wanted to cry
But I couldn’t breath

Slowly you walk away from me
Leaving me alone
With just one thought
I… changed?

I’m lying in my bed
Sick
Weak
Tired
But I’ll stay awake

I slept
Much to long

I changed


Er blickte auf das Blatt, laß seine Worte. Er lächelte verbittert, zerknüllte es, warf es in die Ecke. Er wollte schreien. Doch er konnte nicht. Er wollte weglaufen, aber er konnte nicht. Er atmete tief durch. Immerhin…